Ein Vorwort
vor dem Vorwort...
Wir sind keine Muslima und wollen hier nur die Grundlagen dieser Religion darlegen sowie insbesondere das zeigen, was sie nicht - und schon gar nicht in der Türkei - ist. Deswegen verweisen wir am Ende dieses Berichts auf weitergehende Seiten, die sich mit den "Fakten" zum Islam befassen. |
Was
ist das eigentlich: der Islam? Islam. Welche Assoziationen drängen sich hier dem durchschnittlich informierten Mitteleuropäer auf? Als erstes: das Kopftuch. Eigentlich "ein Merkmal unter vielen" (dessen Bedeutung übrigens selbst unter den Muslimen unterschiedlich bewertet wird, viele Muslima tragen auch kein Kopftuch) aber wegen seiner Offensichtlichkeit deutlich übergewichtet ist (Anmerkung zur allgemeinen Verwirrung: es gibt Frauen, die genau auf diese Offensichtlichkeit abzielen). Dann: finstere Gestalten, alte Männer mit Rauschebart, Turban, wallenden Gewändern und stechenden Blick. Ayatollahs. Fanatische Krieger, die mit Feuer und Schwert den Untergang des Abendlandes einläuten wollen. Allmächtige Männer, unterdrückte, verhuschte Frauen. Iran, Irak, Afghanistan. "Ein islamisches Land" das hat für viele die unterschwellige Bedeutung von Unterdrückung, Bedrohung, Heckenschützen, Unberechenbarkeit - als stünden die Türken immer noch vor Wien. "Allah´s Schatten über Atatürk" ist nur einer der bedrohlichen Titel, mit denen bekannte "Ich-bin-ein-bedeutender-Orientkenner-Journalisten" über die diffusen Ängste der Europäer Kasse machen. |
Leider wirken sich die Verallgemeinerungen des "Schreckgespenstes Islam" negativ auf das europäische Bild der Türkei aus. So haben viele völlig falsche Vorstellungen.... Zunächst einmal: Die Türkei ist der einzige Staat mit überwiegend islamischer Bevölkerung, der eine strikte Trennung von Staat und Religion -den Laizismus- vorschreibt. Religion ist reine Privatsache und jedem einzelnen überlassen. Religiöse Führer haben in der Politik nichts zu suchen. Es gelten weltliche Gesetze ohne jeglichen Einfluss religiöser Vorschriften, so ist das Zivilgesetzbuch beispielsweise dem Schweizer Code civil entnommen. Frauen sind rechtlich gleichberechtigt, Männer dürfen nur eine und nicht mehrere Frauen heiraten und die religiöse Eheschliessung ist rechtlich ungültig, anerkannt wird nur die staatliche Heirat beim Standesamt. Gegründet wurde die türkische Republik 1923 unter Mustafa Kemal Atatürk, dem auch die zahlreichen Reformen westlicher Prägung zu verdanken sind (siehe Rubrik Atatürk). Die Bevölkerung der Türkei lebt den Islam völlig unterschiedlich. Teilweise sogar überhaupt nicht. Gerade in den großen Städten und den westlich orientierten Orten der Ägäis- und Mittelmeerküste gibt es eine Bevölkerungsschicht, die weniger fromm lebt als ein lauer deutscher Durchschnittschrist. Diese Gesellschaft meistert selbst bedeutende Lebenssituationen wie Hochzeit und Beerdigung ohne geistlichen Beistand und verirrt sich selbst an religiösen Feiertagen nicht in die Moschee. Die Religion spielt im Leben dieser Menschen überhaupt keine Rolle. |
Den extremen Gegensatz bilden die türkischen Fundamentalisten, denen die weltliche und westliche Prägung der Türkei ein Dorn im Auge ist. Ihr Kampf ist politisch, zielt letztendlich auf den Sturz des Staates und der Einführung eines islamischen Gottesstaates ab. Nur vor diesem Hintergrund läßt sich auch die strikte Vorgehensweise der türkischen Sicherheitskräfte beispielsweise gegen eine verschleierte Parlamentsabgeordnete verstehen. Islamische Kleidung ist in der Türkei in allen öffentlichen Bereichen mit Staatsbezug, im Parlament, in Schulen, in Universitäten verboten und dieses Symbol wird auch verteidigt - weil jede Parlamentsabgeordnete mit Kopftuch, jede Studentin, die verschleiert Einlaß in die Universität begehrt, gleichbedeutend mit einer politischen Demonstration gegen den Laizismus ist. Der türkische Staat wacht scharf gegen diese umstürzlerischen Kräfte. Zwischen diesen
beiden Extrempositionen ist die Bandbreite immens. Es gibt wenig strenge
Muslime, die weder 5mal täglich beten noch zwingend jeden Freitag -dem
Gebetstag- in die Moschee gehen, die - falls weiblich- statt Kopftüchern
schicke Minikostüme und -falls männlich- statt Wollmützchen Designeranzüge
tragen, aber trotzdem gläubig sind und religiöse Feiertage einhalten.
Es gibt wiederum auch streng Gläubige, die alle Regeln des Islams strikt
einhalten, sich aber trotzdem den kemalistischen Prinzipien des weltlichen
Staatsgefüges verpflichtet sehen. Es gibt Frauen, die weniger aus religiösen
Gründen als vielmehr aus Tradition Kopftuch tragen. Und letztendlich tragen
auf dem Land viele Frauen tagsüber bei der Arbeit auf dem Feld weiße Tücher,
die weder islamische noch traditionelle Gründe haben, sondern lediglich
als Schutz gegen Sonne und Staub gedacht sind. |
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Je mehr man in ländliche Gebiete kommt, desto stärker wird der Einfluß der Religion auf das Alltagsleben. So bekommt man in den großen Städten vom Fastenmonat Ramazan kaum etwas mit, das Leben geht weiter wie sonst auch immer, dagegen in den Dörfern sind die Restaurants tagsüber geschlossen und man erntet mit öffentlichem Essen bzw. Rauchen mitunter Mißfallen. Eine Besonderheit des türkischen Islams ist die Verknüpfung mit altem Volksglauben, Zauberei, Weissagungen und allerlei Irrationalem. So hat gerade in der Türkei ein Heiler, der Warzen bespricht, aus der Hand liest und hypnotische Fähigkeiten hat oder eine weise Frau, die im Kaffeesatz liest und für jedes Wehwehchen ein Kräutlein weiß, einen hohen sozialen Status. Hier ist dieses alte Wissen noch viel stärker vorhanden und respektiert, da es auf keinem Scheiterhaufen landete. | |
...und in anderen Staaten? Teilweise leider wirklich fundamentalistisch. Allerdings ist der Islam nicht "schuld" an den menschenverachtenden Praktiken !! Sehr vieles, was in der Praxis - insbesondere in den sogenannten "Gottesstaaten" als "religiös" verkauft wird, ist in keinster Weise vom Koran oder irgendeinem Glaubenssatz gedeckt, sondern nichts anderes als mit dem Deckmäntelchen der Religion verdeckte Machtgier und Sicherung einer bequemen Männerherrschaft... So ist die z. B. in Afghanistan praktizierte Unterdrückung der Frauen kein Gebot des Islam, im Gegenteil: Frauen sollen geehrt werden, geschützt und geliebt. Selbst die im Koran dargestellte Aufgabenteilung -der Mann sorgt für den Lebensunterhalt und beschützt die Familie, die Frau erzieht die Kinder und sorgt für die Annehmlichkeiten des Lebens- ist nicht als Einengung der Frauen im Sinne eines Berufsverbotes oder ähnlichem zu verstehen. Vielmehr muß dieses Gebot im Rahmen der damaligen Zeiten - als der Koran niedergeschrieben wurde- betrachtet werden und bezweckt einen Schutz der Frau. Sie, die zu diesen Zeiten nahezu niemals berufstätig war, sollte durch den Mann abgesichert sein ! Nirgends ist ein Berufsverbot für Frauen erwähnt, dies war auch niemals bezweckt.... |
Bildung ist laut dem Koran für Jungen UND Mädchen eine Pflicht. Genauso wenig darf ein Mädchen zu einer ungewollten Heirat gezwungen werden - in der Praxis sieht das auf dem Lande oft leider noch anders aus... Auch das ist keine islamische Tradition oder gar Vorschrift, sondern eine althergebrachte patriarchalische Machtdemonstration. |
Basis
Der Islam ist ein echter Volksglaube, der von Land zu Land (und auch innerhalb eines Landes) riesige Unterschiede aufweist. Von den esoterisch-mystischen Sufis (Goethe hegte für sie eine große Sympathie), über fanatische Glaubenskämpfer bis zum stark von Aberglauben und Volksweisheiten durchsetzten "Folkloreglauben" ist alles vertreten. |
Basis aller Richtungen des Islam ist der Koran, der allerdings überhaupt nicht mit der Bibel verglichen werden kann. Wichtigster Unterschied ist der Ursprung: während die Bibel über viele Jahrhunderte entstanden, übersetzt, zurückübersetzt, teilweise umgeschrieben und ergänzt wurde, ist der Ursprungstext des Koran und einige der ersten Abschriften noch im Original erhalten. Der Koran kommt direkt von Gott und wurde Mohammed lediglich diktiert. Mohammed wird gesehen in einer Reihe mit Jesus, Abraham, Moses und so weiter - wobei diese als Propheten durchaus im Islam Achtung genießen. Mohammed gilt als "das Siegel der Propheten", als der letzte Verkünder des Glaubens. Neben dem Koran gibt es die "Hadithen", überlieferte Aussprüche und Handlungen Mohammeds, dessen Lebensweise als vorbildlich und nachahmenswert gilt. |
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Der Islam
besteht aus 5 Säulen: |
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Die beiden großen religiösen Feiertage sind seker bayrami (Zuckerfest) zum Ende der Fastenzeit und kurban bayrami (Opferfest). |
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Wer weitergehende
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