Beachtung der Gegensätze im Land:
Als Pauschalreisender, der sich auf die Touristenzentren beschränkt, werden Sie von den krassen Gegensätzen im Land kaum etwas mitbekommen. Wenn Sie allerdings individuell reisen und auch das dünn besiedelte Inland kennenlernen wollen, sieht die Sache anders aus. In den zentralanatolischen Dörfern und im Osten gibt es Gebiete, in denen völlig andere Gesetze gelten als an der Küste und den Städten. Archaisch anmutende Dorfstrukturen, feste traditionelle Familienverbände und große Frömmigkeit sind dort an der Tagesordnung. Meist werden die Leute sehr nett und hilfsbereit zu Ihnen sein und Ihnen mit einer überwältigenden Gastfreundschaft begegnen.
Aber es wäre vielleicht ratsam, in solchen Dörfern das Miniröckchen im Koffer zu lassen und stattdessen lieber weite, halbwegs elegante Kleidung zu wählen. Sie sollen sich nicht in Sack und Asche hüllen oder verschleiern, ein langes Kleid oder eine leichte lange Sommerhose mit Bluse kann auch schick aussehen und verletzt das Anstandsgefühl der Bevölkerung in diesen Teilen des Landes nicht.
Weiterhin wäre es auch ratsam, auf für die Leute provozierende Gesten wie z.B. Essen und Rauchen in der Öffentlichkeit während des Ramazan´s zu verzichten.

Vermeidung von Reizthemen:
Verzichten Sie als Tourist besser auf Diskussion mit Türken über Reizthemen, wenn Ihnen an einem harmonischen Verlauf des Abends gelegen ist.
Eines der bedeutendsten Reizthemen ist Atatürk (siehe Rubrik Atatürk). Vielleicht mag Ihnen als Tourist und Europäer die extreme Verehrung dieses Mannes befremdend erscheinen, schon am Flughafen empfängt Sie sein Portrait, jeder größere Ort hat seinen Atatürk - Platz mit entsprechendem Denkmal, allenhalben finden sich Atatürk-Straßen und selbst in Privatwohnungen hängt mitunter ein Konterfei des drahtigen Mannes mit dem entschlossenen Blick aus blauen Augen.

Aber Atatürk ist eine türkische Integrationsfigur, eben "der Vater der
Türken", ohne ihn gäbe es keine Türkei in den heutigen Grenzen, vielmehr wären weite Teile des Landes zwischen den Siegermächten des ersten Weltkrieges verteilt worden, ohne ihn gäbe es keine Republik mit Trennung zwischen Staat und Religion, kurzum, das gesamte Staatsgebilde ist auf seinen Ideen aufgebaut. Über Atatürk diskutiert man nicht, dazu sind seine Errungenschaften für das Land zu übermächtig. Zudem werden Sie als Tourist im Zweifelsfall kaum die entsprechenden vertieften Kenntnisse haben, um überhaupt mitreden zu können (sorry, aber vertiefte Kenntnisse bzgl. dieses Staatsmannes gehören -leider- grundsätzlich nicht zur deutschen Allgemeinbildung).
Ein zweites Reizthema voller Mißverständnisse zwischen Türken und Europäern ist "die Lage der Kurden". Selbstverständlich ist einiges im Argen und es gibt unschuldige Opfer - allerdings auf beiden Seiten. Aber Europäer setzen immer wieder "die Kurden" mit "der PKK" gleich, dies ist eindeutig falsch. Im Land verteilt leben Millionen Kurden völlig normal und unbehelligt, arbeiten und machen Geschäfte sowie distanzieren sich von der PKK als einer terroristischen Vereinigung genauso wie die Türken. Als die PKK im Jahre 1999 Bombendrohungen für Touristengebiete verbreiten ließ, haben sich viele kurdische Geschäftsleute ganz genauso aufgeregt wie ihre türkischen Nachbarn ob des Rückgangs der Touristen. Übrigens ist auch die kurdische Sprache nicht verboten, wie oft fälschlich zu hören ist.

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